Silbereschingen Epilog (2)

Kimines wendet sich an die anderen:
„Wir müssen das Tor einreißen, ehe etwas hindurch kommt! Es ist aus Holz, wer hat eine Axt?“

Tanner drängt sich an ihm vorbei und meint:
„Einfach zerstören.“
Da bleibt er mit dem Fuß an der Steinplatte hängen.

Der Weg durch das Portal ist eben,
doch ihn zu geh’n hat einen Preis,
Gewalt und Feuer kosten Leben,
der Schluss besteht aus kaltem Eis.

„Oh, Gewalt schlecht für uns? Verbarrikadieren! Wir sollten Mauer aus Eis drum herum bauen!“

Alle stehen betreten in der Höhle und spüren die Wärme der nahen Lava. Selbst wenn sie eine Möglichkeit hätten, eine solche Mauer zu errichten, würde sie in kurzer Zeit schmelzen.

Dem Champion kommen die Worte aus seinem Traum in den Sinn, er kämpfe mit der falschen Waffe. Lag darin eine Prophezeiung? Nachdenklich betrachtet er sein von Flammen umzüngeltes Schwert, das er wie eine Fackel hoch hält, um Helligkeit zu verbreiten. Diese Waffe steht eindeutig für Gewalt und Feuer. Aber was steht für kaltes Eis?

„Was war das eigentlich für ein abstoßendes Monster auf der anderen Seite?“

Variel schöpft aus seiner breiten Bildung.

„Unter der Annahme, dass wir hier einen Blick in eine der Ebenen der Hölle werfen, vermutlich Avernus, die oberste der neun, dürfte es sich um einen Gelugon handeln, einen Eisteufel. Sein Körper und seine Waffen strahlen höllische Kälte aus.“

Auf dem ein oder anderen Gesicht leuchtet Verständnis auf.

„Hat er nicht den Eindruck erweckt, dass er dem Tor nicht zu nahe kommen kann?“

„Ja, genau. Vermutlich wird seine Eiseskälte das Tor einfrieren lassen. Wir müssen ihn anlocken. Wie stellen wir es an, dass er es mit seiner Kälte berührt?“

„Hm? Da er Abstand hält, wird er genau dies vermeiden wollen. Eisteufel sind hoch intelligent.“

„Können wir nicht auch Kälte erschaffen? Variel, beherrscht du einen Zauber, der das kann?“

„Silver Crescent!“, ruft jemand.

Der Druide zieht seinen Säbel und nachdem ihn alle ermuntern, stößt er die eisige Klinge in die trübe Fläche, die das Tor wie einen Vorhang ausfüllt. Sofort wird das Innere des Tors milchig und hart, es knackt und knirscht, wie gefrierendes Wasser.

„Hurra! Geschafft!“

Doch als der Elf die Waffe zurückzieht, taut das magische Eis ebenso schnell, wie es entstanden ist.

„Du musst sie stecken lassen.“

Leicht fällt es nicht, einen so mächtigen Gegenstand zurückzulassen, aber zum Wohle des Tals, seiner Bewohner, der Tiere und Pflanzen ist Variel bereit, dieses Opfer zu bringen.

Erneut sticht er die Klinge ins Tor und als sie in der hartgefrorenen Fläche steckt, lässt er los. Leider hält die Blockade dieses Mal nur wenig länger, dann fällt der Säbel klappern zu Boden und der Durchgang nimmt wieder die wässrige Konsistenz an wie zuvor.

„Mist. Wenn das nicht klappt, warum hält der Eisteufel dann so vorsichtig Abstand?“

„Vermutlich ist es hier zu warm. Wir müssen es von der anderen Seite aus versuchen.“

Schweigen breitet sich aus, als einem nach dem anderen klar wird, was es bedeutet, das Tor von der Hölle aus zu blockieren.

Ein Blick in die wüste Landschaft zeigt, dass der Gelugon durch das zweimalige Einfrieren des Tors auf die Bedrohung aufmerksam geworden ist und misstrauisch mit erhobener Waffe näher gekommen ist.

„Ich gehe“, erklärt Kimines, „Ich habe geschworen, gegen das Böse zu kämpfen, wo immer es auftritt, und sei es mitten in der Hölle. Variel, gibt mir deine Waffe!“

„Nein, ich komme mit.“

„Das musst du nicht.“

„Sieh doch durch das Tor. Der Wächter wird dich angreifen, sobald du hindurch trittst. Alleine hast du gegen ihn keine Chance. Und wenn du scheiterst, bist nicht nur du verloren, sondern auch unsere einzige wirksame Waffe. Aber wenn du mir Rückendeckung geben würdest, könnte ich das Tor schließen.“

Entschlossen schauen sich die beiden in die Augen.

„Ihr geht nicht alleine“, erklärt Tanner und tritt neben sie.

Yorman knurrt etwas Unverständliches und tut es dem Halb-Ork gleich.

Talaviël scharrt verlegen mit dem Fuß auf dem Höhlenboden.

„Ehm, Leute, ich weiß nicht, ob ich euch dort eine große Hilfe wäre. Ich bin eher ein Stadtbewohner. Mit Teufeln habe ich es nicht so.“

„Dann warte hier. Und wenn wir nicht zurückkehren können, berichte Herrn Meier, was hier geschehen ist und dass wir nicht nur das Tal, sondern wahrscheinlich die ganze Welt vor der Vernichtung gerettet haben. Er soll eine Nachricht in die Hauptstadt schicken, damit von dort eine Rückholaktion organisiert wird.“

„Klar, mache ich. Ich hoffe, ihr schafft es selbst. Aber wenn nicht, dann tue ich alles, um euch zu retten.“

Die Vier bereiten sich auf den Kampf ihres Lebens vor und dann treten sie wie ein Mann durch das Tor.

Talaviël späht durch die verzerrende Trennschicht. Kein Ton dringt hindurch und es wirkt auf ihn irreal, wie Kimines und Yorman in absoluter Stille mit erhobenen Waffen auf den Teufel zustürmen, während Tanner eine gute Position sucht, um den Feind mit Pfeilen einzudecken.

Variel hebt noch einmal die Hand zum Gruß an den Zurückgebliebenen, dann stößt er Silver Crescent in das Tor.

Sofort nimmt milchiges, hartes Eis Talaviël die Sicht, es knirscht und knackt ohrenbetäubend. Risse bilden sich, die blitzartig größer werden und sich bis in den Rahmen ausbreiten. Wie ein zerschmettertes Glas zerbricht das ganze Tor und fällt in tausend Scherben zu Boden, wo die Bruchstücke zu einer bunten Flüssigkeit zerschmelzen, die in der trockenen Hitze verdunstet.

Ende.

  1. Link zum Download der mp3: free-unicorn.de/wp-content
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