Silbereschingen (Teil 2)

Mit banger Erwartung schauen alle in Richtung des verwüsteten Schreibzimmers, aus dem sich sanfte Schritte nähern. Nur Talaviël versteckt sich vorsichtshalber gleich hinter der Folterbank.

Philli lächelt einladend.

„Ich bin autorisiert, euch die Erfüllung jedes Wunsches zuzusagen, den ihr auf dem Herzen habt, wenn ihr einen Vertrag mit mir eingeht. Und im Gegenzug erwarte ich – fast – nichts.“

Auf die Frage, was dieses Nichts sei, führt sie aus, dass es in der Nähe der Stadt ein Tor gebe, das der Hölle sehr wichtig sei. Und die Helden müssten sich nur verpflichten, das Tor nicht zu zerstören oder seine Funktion zu beeinträchtigen, noch die Torwächter anzugreifen oder sie in ihrer Aufgabe zu behindern. Dafür bietet sie fantastische Belohnungen an.

Den Einwand, dass Verträge mit der Hölle für Sterbliche nie gut ausgingen, was Baron Franz‘ Beispiel zeige, erklärt Philli, dass er nur vereinbart habe, immer ausreichend Geldmittel für seine Unternehmungen zur Verfügung zu haben, was die Hölle getreulich erfüllt habe, sie aber nicht verpflichtet gewesen sei, ihm in anderer Art und Weise zu helfen.

Während Yorman standhaft bleibt und jedes Angebot vehement ablehnt, lassen sich Variel und Hal je eine Kopie des für sie vorbereiteten Vertrags aushändigen. Als sie weiter verhandeln, erhöht Philli die Angebote und senkt die Gegenleistung dahin ab, dass die Helden lediglich eine Meile Abstand zum Berg, in dem die ehemalige Silbermine war, halten müssten. Yorman ist entsetzt, dass die anderen anscheinend ernsthaft darüber nachdenken, Tanner grunzt nur abschätzig.

Am Ende des Vertragstextes findet Hal den Zusatz, dass der Unterzeichner nach seinem Tod nicht wiederbelebt werden kann und seine Seele in die Hölle muss.

„Das ist eine Standardklausel in jedem höllischen Vertrag, daher eigentlich keiner Erwähnung wert,“ erklärt Philli.

Hal fragt nach, ob es eine Garantie gebe, dass sein Tod nicht durch höllische Agenten oder Pläne verursacht würde. Als ihm Philli das bestätigt, unterschreibt er. Woraufhin Yorman sofort droht, ihn umzubringen.

„Oh, das habe ich nicht bedacht,“ stellt der Gnom fest und nimmt die Beine in die Hand. In der Eile vergisst er, den Vertrag um die ausgehandelten Garantien schriftlich ergänzen und von Philli gegenzeichnen zu lassen.

Nachdem offensichtlich ist, dass sie die anderen hier und jetzt nicht überzeugen kann, verabschiedet sich Philli, stellt aber klar, dass die Helden es sich jederzeit anders überlegen können. Dazu müssen sie nur ihren Namen Phistophilus laut aussprechen.

Vergeblich suchen die Abenteurer einen alternativen Ausgang aus den unterirdischen Verliesen. Als klar wird, dass es nur den Weg zurück durch den Thronsaal gibt, wo man die Toten mittlerweile gefunden haben musste, ist allen klar, dass sie sich den Weg in die Freiheit werden freikämpfen müssen. Also heilen sie ihre Wunden, so gut es geht (Hal’s Elixiere und Pflaster waren doch irgendwie nützlich gewesen) und gehen grimmig dem Kampf entgegen.

Yorman marschiert voran, vergisst aber, dass in der langen Galerie die Falle mit den vergifteten Pfeilen wieder aktiviert sein könnte. Er gerät in eine wahre Salve heranschießender Bolzen, die er nicht alle mit seinem Schild abwehren kann. Eiligst stürzt Talaviël zum Schaltkasten und deaktiviert den Mechanismus.

Im Thronsaal erwartet die Helden ein erschreckender aber irgendwie auch befriedigender Anblick: Neben dem Thron liegt Hal’s lebloser Körper, sein abgetrennter Kopf auf der gegenüberliegenden Seite.

Im Saal steht der Henker, flankiert von schwer bewaffneten Burgwachen.

„Wie euer Mittäter werdet ihr der gerechten Strafe nicht entgehen, obwohl ihr versucht hattet, euch in den Kellerverliesen zu verstecken. Die Magd, die Augenzeugin eurer Missetat wurde, hat mutig ihre Pflicht getan und bezeugt, dass ihr den Baron und seinen Berater hinterhältig ermordet habt. Also werde ich dem Gesetz entsprechend euch vom Leben zum Tode befördern.“

So leicht geben sich Abenteurer aber nicht geschlagen. Philli’s Verrat – um niemand anderen kann es sich bei der angeblichen Augenzeugin handeln – stachelt ihre Wut zusätzlich an und ohne weiteres Vertun greifen sie an. Ein recht verwirrender Kampf entbrennt und anfangs scheinen die Burgwächter die Oberhand zu gewinnen.

Dann fliegt krachend die Tür auf und Kimines, ein Champion der Iomedae schreitet in den Saal, wütende Blicke um sich werfend, die seine Feinde vor Furcht erzittern lassen. Zwar stellt sich heraus, dass er sein Schwert nicht so souverän beherrscht, wie sein forsches Auftreten vermuten ließ, aber zumindest bringt er die Reihe der Armbrustschützen in Unordnung, die zuvor ungehindert in das Scharmützel feuern konnten.

Nachdem der Henker gefallen ist, verlieren die Wächter die Lust daran, ihr Leben für einen toten Baron zu opfern und sie nehmen das Angebot, sich kampflos zurückzuziehen, dankend an. Der Weg ist frei.

Nun ja, so weit frei, bis die Abenteurer im Flur auf Herrn Meier, den Burgverwalter stoßen. Trotz seiner schmächtigen Statur, unbewaffnet und ohne Leibgarde, macht seine Haltung klar, dass man nicht so ohne weiteres an ihm vorbeikommen kann. Lakonisch stellt er fest, dass nach dem Ableben des Barons und dem gewaltsamen Dienstende des vormaligen Beraters Mantus Mockery – als er dies erwähnt, kann er ein Schmunzeln in den Mundwinkeln nicht unterdrücken – die Burgverwaltung wieder zu 100 Prozent auf ihn übergegangen ist und er bis zum Einsetzen eines Erben die volle Kontrolle wahrnimmt.

Als erstes verfügt er, dass alle Fremden die Burg sofort auf kürzestem Weg zu verlassen haben, und weist einen Lakaien, der ängstlich inter einer Ecke wartete, an, die Gruppe aus dem Tor zu führen.

Auf dem Platz vor dem Tor hat sich dicht an dicht gedrängt eine Menschenmenge angesammelt. Hoch über ihnen, auf den obersten Stufen einer Kirchentreppe steht ein Gnom in zeremoniellen, giftgrünen Gewändern. Eine Frau in rotem, gewagt geschnittenem Kleid beugt sich zu seinem Ohr herab und flüstert ihm etwas zu. Hätte sie Hörner, könnte sie geradezu Philli’s Zwillingsschwester sein. Dann zieht sie sich zurück. Der Gnom aber fängt an zu kreischen, so laut, dass man seine Stimme über den ganzen Platz hört.

„Das sind die Missetäter, die unseren gnädigen Baron gemeuchelt haben! Nehmt sie gefangen!“

Yorman will schon die Beine in die Hand nehmen. Variel aber lässt sich auf ein Fass hinauf helfen, so dass man ihn weithin sehen kann und weist die Leute in vernünftigem Ton aber eindringlich darauf hin, dass der Baron ganz und gar nicht gnädig gewesen ist. Außerdem sei ein teuflisches Komplott im Gange, um der Stadt und ihren Einwohnern zu schaden. Als Beweis dafür zeigt er den Vertrag vor, den er immer noch ohne Unterschrift mit sich trägt. Zustimmendes Gemurmel ertönt.

Dadurch misstrauisch geworden wenden sich die Leute wieder dem Gnom zu, der lieber nicht abwarten will, bis sich der Zorn der Menge gegen ihn richtet. Er rafft seine Robe über die Knie und gibt Fersengeld.

Während Variel sich in eine Fledermaus verwandelt und die Verfolgung aufnimmt, bahnen sich die anderen ihren Weg durch die Masse. Am anderen Ende des Platzes versperrt ein Händler mit seinem Karren den Weg. Yorman will den Verkaufsstand einfach umrennen, hat dabei aber seine Stärke überschätzt, prallt gegen die hölzerne Seitenwand und setzt sich unsanft auf den Hosenboden. Feixend laufen die anderen an ihm vorbei. Wütend rappelt sich der Zwerg auf, schnappt sich eine matschige Tomate und wirft sie hinter Talaviël her.

Tanner erwischt den Gnom beinahe, der aber entfleucht durch ein hohes Gartentor, das hinter ihm scheppernd ins Schloss fällt und ihm einen winzigen Vorsprung vor den Verfolgern gewährt. Weiter geht die wilde Jagd in die Altstadt mit ihren engen verwinkelten Gassen. Hier ist Variels Fliegen kein Vorteil mehr und er steigt in die Höhe, um sich einen Überblick zu verschaffen. Tanner folgt den Aufblitzen der giftgrünen Rockschöße und rast um die Ecken, um den Anschluss an den Flüchtigen nicht zu verlieren. Da prallt er beinahe mit einem wütenden Mob zusammen, der mit Fackeln und Mistgabeln den Durchgang versperrt. Talaviël, nur kurz hinter ihm, taucht in die Schatten und schleicht unbemerkt an den Männern vorbei.

Derweil kommen Kimines und Yorman an eine Kreuzung in dem Gassengewirr. Der Zwerg meint, Rufe zu hören und folgt den Geräuschen, muss aber bald erkennen, dass er in die Irre ging. Der Champion schnappt sich stattdessen einen Passanten, der sich an die Hauswand presste, um nicht über den Haufen gerannt zu werden, und herrscht ihn an. Eingeschüchtert gibt der Mann zu, dass er angewiesen wurde, eine falsche Richtung zu nennen, nun aber zeigt er Kimines, wohin der Gnom geflohen ist.

Variel hat den Flüchtenden wieder entdeckt und kann ihm folgen, bis dieser durch die Hintertür in einen Tempel schlüpft. Nach und nach treffen auch die anderen ein und versammeln sich vor dem hohen, steinernen Gebäude.

Durch die bunten Bleiglasfenster sehen sie, dass in lange Kapuzen-Umhänge gehüllte Gestalten sich um einen in den Boden eingelassenen Drudenfuß versammelt haben und aus der offen stehenden Tür dringt ritueller Singsang. Irgendetwas Teuflisches ist hier im Gange und es gilt keine Zeit zu verlieren!

Während Tanner ein Fenster einschlägt und mit seinem Bogen hindurch feuert, stürmen die anderen mit gezückten Waffen in den Tempel. Die fanatischen Tempeldiener werfen sich ihnen entgegen, haben im Nahkampf aber keine echte Chance, auch wenn sie zur Unterstützung böse Feenwesen herbeibeschwören.

Am erhöhten Altar steht der Gnom, der Anführer des Teufelskults, und weist seine Anhänger an, sein Leben zu schützen. Seine Magie lässt Yorman in Lachen ausbrechen, wodurch der Zwerg teilweise die Kontrolle über seine Reflexe verliert und der Gnom ihm mehrfach entschlüpfen kann.

Auch Tanner wird draußen vor dem Fenster verzaubert und wirft sich brüllend vor Lachen auf den Boden. Nur mühsam rappelt er sich wieder auf und beschließt, durch das Portal in die Kirche zu laufen, da ihm die durch das Fenster sichtbaren Ziele ausgegangen sind.

Mittlerweile liegen die meisten Teufelsanbeter tot auf dem Boden. Nur auf sein eigenes Überleben bedacht, lässt der Kultanführer seine letzten Anhänger den Zwerg, der ihm dicht den Fersen ist, ablenken, und zaubert sich durch eine magische Tür zum Ausgang des Tempels, durch den er mit höhnischen Bemerkungen über die zurückbleibenden Angreifer ins Freie rennt – wo er mit Tanner zusammenstößt.

Mit ausgebreiteten Armen will sich der Halbork auf den Gnom werfen, der aber weicht ihm flink aus und Tanner landet bäuchlings im Dreck.

Variel ist in Gestalt einer Riesenspinne inzwischen heran gekommen und wirft sein Netz über den Gnom. Dieser ist sicher, sich nicht aus eigener Kraft befreien zu können, weshalb er Tanner mit einem Zauber dazu zwingt, ihn aufzuheben und davon zu tragen.

Kimines rennt hinterher und teilt den Feind, den Tanner auf der Schulter trägt, mit einem gewaltigen Hieb seiner Klinge beinahe in Stücke. Gerade noch rechtzeitig kann er den Schwung bremsen, um den verzauberten Gefährten nicht zu verletzen.

Nachdem alles halbwegs wichtig oder wertvoll erscheinendes aus dem Tempel geplündert wurde, kehren die Helden zurück ins Gasthaus von Jakob Kaltner, um sich zu erholen.

Doch in der Gaststube sitzen ihre alten Feinde Valerian und Lorenz. Ohne Zögern springt Yorman über den Tisch und wirft sich auf Valerian, den größeren der beiden. Talaviël folgt ihm, Schwert voraus. Seine lange elegante Klinge durchbohrt den anderen Gangster, der tot zwischen Sitzbank und Wand herabsinkt. Panisch schreiend weichen die anwesenden Gäste in den hinteren Teil des Schankraums zurück.

Erzürnt über diesen skrupellosen Totschlag drängt Kimines sich dazwischen und nimmt dem Elfen das Schwert ab.

Tanner setzt sich, als sei nichts geschehen, an die Bar und bestellt beim verdatterten Wirt ein Bier, das er augenzwinkernd mit einer Goldmünze, dem Hundertfachen des Preises bezahlt.

Yorman ringt den Banditen nieder und der herbeieilende Variel steckt diesen mit einer Berührung seiner Hand mit Goblin-Pocken an. Durch die Magie bricht die Krankheit sofort aus, worauf der Gegner den Zwerg angeifert und spuckt, während er mit ihm ringt.

Durch den Tumult alarmiert, nähert sich die Stadtwache dem Gasthaus. Kimines hält die blutige Waffe in seinen Händen, mit dem der hinter ihm liegende Mann getötet wurde. Was tun? Der Elfenschurke versucht so auszusehen, als habe er mit all dem nichts zu tun. Tanner bedeutet dem Wirt, bloß nichts Dummes zu sagen.

Mit einem Kuss auf den Mund kann Valerian den Zwerg, der ihn daraufhin angewidert loslässt, nur kurz abschütteln. Nun wird Yorman erst so richtig warm, packt den Gegner am Kopf, rammt dessen Gebiss in die Tischplatte und hämmert ihn mit der Faust fest, bis er bewusstlos ist. Eiligst drapiert Variel den Körper so, dass es aussieht, als sei er wegen der Krankheit, die man ihm anhand der ungesunden Gesichtsfarbe und der roten Pusteln deutlich ansieht, ohnmächtig geworden.

Durch die sich öffnende Tür tritt Peter, der alte Stadtwächter.

„Was ist hier los?“

„Rein gar nichts, den Herren hier ist nur schlecht geworden.“

„Ach, dann ist ja gut. Es wäre ja unangenehm, wenn während meines ersten Tages als Streifenführer irgendetwas Schlimmes passieren würde.“

Völlig absurd ignoriert Peter die Anzeichen des Kampfes, wendet sich stattdessen Jakob, dem Wirt zu und beklagt sich darüber, dass Herr Meier die Söldner entlassen habe und somit ihm die ganze Arbeit zugefallen sei, in der Stadt für Sicherheit und Ordnung zu sorgen. Entgeistert starrt Jakob ihn an und weiß nicht mehr, was er sagen soll. Hilfesuchend nimmt er Augenkontakt mit den gefährlich aussehenden Fremden auf und bestätigt dem Wächter dann, so wie ihm bedeutet wurde, dass alles in Ordnung sei. Zufrieden und erleichtert setzt Peter seinen Rundgang fort.

Talaviël erinnert sich daran, dass Valerian ihn bei ihrem letzten Zusammentreffen in der Gasse zwingen wollte, sich auszuziehen. Das will er nun mit gleicher Münze vergelten. Es bedarf zwar ein klein wenig Überredungskunst, aber schließlich steht der Banditenanführer nur noch im Lendenschurz vor den feixenden Abenteurern und wird entlassen.

Die eingeschüchterten, zusammengekauerten Gasthausbesucher nutzen diese Gelegenheit, stumm und mit weit aufgerissenen Augen hinter ihm her hinaus auf die Straße zu fliehen.

Jakob weiß noch immer nicht, wie ihm geschieht.

„Herr Wirt, habt ihr eine Unterkunft für uns?“

„Ähm, ja“, er schluckt heftig, „wie es scheint, sind eben alle meine Gäste abgereist.“

„Ich brauche keines“, wirft Variel ein, „ich schlafe grundsätzlich im Freien.“

„Nun“, erklärt Yorman, „dann richtet uns bitte vier Einzelzimmer her. Wir hatten einen langen und anstrengenden Tag.“

To be continued…

 

 

 

 

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