Silbereschingen Epilog

Kimines steht alleine auf einer öden, steinernen Ebene und schlägt weite, schwingende Bögen mit seiner flammenden Klinge, um sich gegen die Übermacht unsichtbarer Gegner zu verteidigen. Immer wieder trifft er auf Widerstand und das Feuer setzt seine Gegner in Brand, so dass die züngelnden Flammen ihre Umrisse enthüllen. Aber anstatt davon verzehrt zu werden, scheinen die Wesen die Hitze in sich aufzunehmen und stärker zu werden. Immer näher kommen die brennenden Feinde, schließen den Ring um den Champion immer enger. Aufgeben kommt für ihn aber nicht in Frage.

„Gib mir Kraft, Iomedae“, stößt er kaum hörbar zwischen den Zähnen hervor und entfesselt Reserven, von denen er bisher nicht wusste, dass er sie hatte.

Da scheint aus dem dunklen Himmel plötzlich ein helles Licht, so strahlend, dass die Feuerwesen um ihn herum darunter verblassen und wieder so unsichtbar sind wie zuvor.

„Kimines“, erklingt eine weibliche Stimme, die er zweifelsfrei als die seiner Patronin erkennt, „du kämpfst auf der richtigen Seite, aber gegen die falschen Gegner und mit der falschen Waffe.“

Schweißgebadet und von der Begegnung mit der göttlichen Stimme zutiefst erschüttert, schreckt er auf. Ein seltsamer Traum. Ein prophetischer Traum? Durch das Fenster dringt das erste Licht des neuen Tages.

Die Helden treffen sich beim Frühstück im großen Gastraum von Jakobs Herberge. Nur wenige Stammkunden haben nach den Ereignissen des gestrigen Tages den Mut gefunden, sich wieder hier blicken zu lassen, so dass die allermeisten Plätze leer bleiben. Nachdem der Kern des Teufelskults zerschlagen wurde und die von Franz mit seinem Gold angelockten Söldner die Stadt verlassen haben, kann sie zu ihrem vorherigen Frieden zurückfinden, aber das wird Zeit brauchen.

Wird sie diese Zeit haben? Wer weiß, wohin die Söldner abgezogen sind? Möglicherweise warten sie nur auf eine Gelegenheit, sich das entgangene Gold auf andere Weise zu holen. Von der früheren Wache ist bestenfalls die Hälfte noch im Dienst. Und es sind nicht die besten, die geblieben sind. Gegen einen entschlossenen oder hinterhältigen Angriff wäre die Stadt so gut wie schutzlos.

Während des Essens dreht sich das Gespräch selbstverständlich darum, was die Abenteurer als nächstes tun sollten. Durch Phillis Angebot wissen sie, dass sich das Tor in den ehemaligen Silberminen befinden muss. Aber wie kann man verhindern, dass die Hölle einen anderen willigen Verbündeten findet, der es für sie öffnet? Der einzige Weg scheint zu sein, das Tor ein für alle mal zu zerstören. Nur wie? Grübeln hilft nichts und es gibt hier niemanden, den man fragen könnte. Also, auf zu den Minen!

Vor dem Eingang steht noch immer das Lager mit der Palisadenmauer. Die Besatzung hat sich allerdings vervielfacht, so dass sogar außerhalb der Befestigung Zelte und improvisierte Unterkünfte aufgestellt wurden. So ist zumindest klar wohin die Söldner gezogen sind. Allerdings ist es beunruhigend, dass sie sich nur wenige Stunden von der Stadt entfernt sammeln. Das lässt vermuten, dass sie nicht friedlich verschwinden werden. Kurz erwägen die Helden, das Lager anzugreifen, doch wäre dies ein sehr blutiges und letztlich vergebliches Unterfangen, da die Strauchdiebe sicherlich nicht warten würden, bis sie den Kampf endgültig verloren haben, sondern sich zerstreuen und als herumziehende kleine Gruppen die Gegend unsicher machen würden. Also braucht es einen besseren, nachhaltigeren Plan. Zuerst gibt es aber Dringlicheres zu tun.

Mühelos finden die Helden den Hintereingang zu den Minen und nach dem fröhlichen Wiedersehen mit den Kobolden bewegen sie sich vorsichtig und kampfbereit auf die hohe Halle zu, in der Variel und Hal die fliegenden Teufelin entdeckt hatten.

Tatsächlich ist die Erinye weiterhin auf ihrem Posten unter der Höhlendecke. Mit ihren scharfen Sinnen entdeckt sie die Herannahenden und nimmt sie ohne zu zögern unter Feuer. Mit übermenschlicher Geschwindigkeit und Präzision feuert sie ganze Salven flammender Pfeile ab, so dass sie alle Gegner gleichzeitig bekämpfen kann. Die stärksten Kämpfer sind derweil zur Untätigkeit verdammt, weil die Schützin hoch über dem Boden unerreichbar für sie bleibt. Doch als diese, anstatt zu Fernkampfwaffen zu nutzen, die mitgebrachten Flug-Tränke auspacken und ihr so auf den Leib rücken können, entscheidet sich die Feindin, dass es für sie gesünder wäre, den Weg frei zu geben.

„Es wäre sinnlos, mich zu opfern, da ihr an den anderen Wächtern ohnehin scheitern werdet“, versucht sie, einen Rest ihrer Ehre zu retten, ehe sie mittels ihrer Magie verschwindet.

Der Weg ist frei, aber welcher? Es führt ein halbes Dutzend Gänge aus der Höhle. Eine kurze Suche bringt die Erkenntnis, dass fast alle vor längerer Zeit stark begangen wurden, von Leuten mit großen schweren Stiefeln und unzähligen kleinen, nackten Füßen – vermutlich die Goblin-Sklaven. Nur einer scheint kaum genutzt zu sein. Also wird der genommen und tatsächlich führt er nach einer kurzen Biegung steil nach unten.

Die Luft wird zunehmend wärmer, bald richtiggehend heiß. Als flackerndes Licht vorab auftaucht, kundschaftet Talaviël aus, was dort auf die Gruppe wartet. Er entdeckt einen breiten, quer verlaufenden Gang, durch den sich träge ein breiter Lavastrom wälzt. Nur ein schmaler steinerner Steg führt zur anderen Seite, wo sich der Weg fortsetzt. Bewegt sich da etwas in dem geschmolzenen Stein?

Als sich die Abenteurer anschicken, die Brücke zu überqueren, tauchen links und rechts Wesen aus der Lava auf, deren schlangengleiche Leiber und humanoide Oberkörper aus reinem Feuer zu bestehen scheinen. Mit langen, glühenden Haken versuchen die Salamander, die Eilenden vom Weg herab zu ziehen, die weichen aber den Angriffsversuchen geschickt aus und selbst als eine der Waffen Tanner streift, kann er den Haken abschütteln und kommt sicher auf der anderen Seite an.

Als nun immer mehr der Feuerelementare auftauchen und sich anschicken, die heiße Lava zu verlassen und den Entkommenden zu folgen, zieht Variel Silver Crescent. Mit dem fahl-blau schimmernden eiskalten Krummsäbel in der Hand versucht er die Verfolger davon zu überzeugen, dass sie besser in ihren natürlichen Element bleiben sollten. Ob sie seine Worte verstehen, ist nicht ganz klar, doch scheint die drohende Haltung des Druiden verständlich genug zu sein, und sie ziehen sich zurück.

Geräusche tragen weit in den Tunneln, die einst von fließendem Gestein geschaffen wurden. So werden die Helden bereits von einer voll tönenden Stimme begrüßt, ehe sie den Sprecher hinter einer Biegung sehen können.

„Kommt nur näher, kleine Besucher! Ich unterhalte mich gerne vor den Mahlzeiten.“

Den Abenteurern schwant, dass sie es selbst sind, die hier auf dem Speiseplan stehen könnten.

In der Höhle, die sich vor ihnen öffnet, thront ein großer roter Drache auf einem Felsvorsprung, an dessen Fuß seine Schätze ausgebreitet sind. Ein großer Lavatümpel bedeckt den größten Teil des Höhlenbodens, dessen Glut ein schwaches Licht verbreitet. Der umlaufende Felsrand ist rissig und mit losem Geröll bedeckt. Die kampferprobten Recken können mit einem Blick abschätzen, dass auf diesem Kampfplatz alle Vorteile auf seiten des gegen Feuer gefeiten Drachen liegen, während sie ständig darauf achten müssten, nicht in die brennende Lava zu stürzen.

Variel bedeutet den anderen aber, sich zurück zu halten, während er das Untier anspricht. Seinem arkanen Wissen zufolge haben rote Drachen eine chaotische Gesinnung. Daher will ihm nicht einleuchten, dass so ein Wesen sich als Wächter eines Höllentores hergeben sollte. Schon bei den Elementarwesen waren ihm Zweifel gekommen, ob dies wirklich der richtige Weg zum Tor wäre, denn auch diese sind nicht dafür bekannt, einen Pakt mit Teufeln einzugehen.

Das diplomatische Geschick des Elfen lässt ihn auch dieses Mal nicht im Stich. Die überhebliche, aber neugierige Natur des Drachen lässt ihn auf ein ausführliches Gespräch eingehen. Dass ihm die Besucher hier in seinem eigenen Lager gefährlich werden könnten, kommt ihm nicht in den Sinn. So gibt er bereitwillig Auskunft, als er nach einem magischen Tor in der Nähe befragt wird.

„Ja, dort, der schmale Gang auf der anderen Höhlenseite führt zu einem Ort, wo ich mit meinen scharfen Sinnen Magie spüre, die so etwas bewirken könnte. Geht nur dorthin und schaut nach. Es ist eine Sackgasse, so dass wir unser gemeinsames Mahl abhalten können, wenn ihr zurückkommt.“

Der Weg ist nur kurz und tatsächlich führt er ohne weitere Abzweigung zu einer tropfenförmigen Höhle, in deren Mitte ein große Tor aus lackiertem Holz von unbekannter, exotischer Machart steht. Es scheint nirgendwo hin zu führen und sieht von beiden Seiten identisch aus. Auf dem Boden hat jemand eine Steinplatte hinterlassen, in der große Buchstaben eingemeißelt sind. Eine Begrüßung oder eine Warnung?

Der Weg durch das Portal ist eben,
doch ihn zu geh’n hat einen Preis,
Gewalt und Feuer kosten Leben,
der Schluss besteht aus kaltem Eis.

Was soll das bedeuten und führt das Tor überhaupt irgendwo hin? Wenn man hindurch sieht und sich darauf konzentriert, nicht die auf der Gegenseite liegende Hälfte der Höhle zu sehen, hat man den Eindruck, als sehe man eine fremdartige Landschaft wie durch trübes unruhiges Wasser, verzerrt und verschleiert. Dennoch kann man eine wüste Landschaft erahnen, steinig und trocken, in der nur wenige verkrüppelte Pflanzen ein karges Dasein fristen. Bedrohlich aussehende Dunstschwaden wehen durch die Gegend, an deren Horizont aktive Vulkane Rauch und Flammen ausstoßen.

Plötzlich schrecken alle zurück, als auf der anderen Seite ein Wesen ins Blickfeld kommt. Eine Art Insekt, kreideweiß und so groß wie der Drache, der auf dem Rückweg lauert. In seinen vorderen Gliedmaßen, die mit menschenähnlichen Händen ausgestattet sind, trägt es einen gewaltigen, gefährlich glitzernden Speer. Mit seinen Facettenaugen späht es durch das Tor. Kann es uns sehen? Dem unangenehmen, starren Insektengesicht ist keine Regung anzusehen. Trotzdem haben alle den Eindruck, als wolle das fremdartige Biest am liebsten durch das Tor stürmen, bemühe sich aber gleichzeitig, ihm nicht zu nahe zu kommen. Schließlich wandert es weiter und verschwindet aus der Sicht der Beobachter.

Was tun?

Ideen:

  1. Das Tor zerstören. Aber wie?
  2. Versuchen, durch das Tor zu gehen.
  3. Warten, ob etwas durch das Tor kommt.
  4. Zum roten Drachen zurückkehren.
  5. Heimlich so weit wie möglich fliehen.
  6. Oder …

 

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