Vandora (Teil 4a)

Ein Blick durch die Ritzen der Tür zeigt einen leeren Gang, an dessen Ende etwas leuchtet. Vorsichtig gehen die Abenteurer dort hin und untersuchen die Lichtquelle. Es ist eine Abart der dauerhaften Flamme, also gewöhnliche Magie, nichts gefährliches. An Abzweigungen ist jeweils eine weitere dieser Lichtquellen angebracht, denen man folgt, um das Labyrinth zu durchqueren, denn dunkle Gänge entpuppen sich durchweg als Sackgassen. Irritierend ist jedoch, dass sich alle fühlen, als würde sie etwas bremsen, als hänge sich etwas an sie, das beim Gehen zusätzliche Kraft kostet. Aber keiner schaut sich um, womit man hätte erkennen können, dass jeder plötzlich zwei Schatten hat, von denen sich einer nicht so verhält, wie man es im Licht der Lampen eigentlich erwarten sollte.

Die Ungewissheit ist verflogen, als die im Dunkeln besonders scharf sehenden Augen des Zwergs ein Monster entdecken: ein großes humanoides Wesen mit einem Stierkopf. Was anderes als einen Minotaurus sollte man in einem Labyrinth auch erwarten? Die Illusion ist so überzeugend, dass alle sich auf den Gegner stürzen und sich beim Kampf gegen den vermeintlichen Gegner verausgaben. Erst als Tanner, der das Trugbild durchschaut, sich unbehelligt mitten in die Erscheinung stellt, erkennen die anderen ihren Irrtum.

Als sie ihren Weg fortsetzen, greifen die noch immer unerkannt an den Menschen hängenden untoten Schatten überraschend an. Ihre körperlosen Klauen zerreißen nicht nur lebendes Gewebe, sondern zerren auch an den natürlichen Schatten der Lebenden und schwächen diese damit. Zwar kann die Bedrohung durch Magie und vor allem mit Licht, das die Schatten verletzt, bewältigt werden, aber Hal fürchtet, dass sich sein Schatten bald ganz von ihm lösen könnte. Was würde dann aus ihm?

Am Ende des Labyrinths wartet ein Teich aus den Abwässern einer Alchemistenküche. Die Flüssigkeiten schimmern in unnatürlichen Farben und ätzende Dämpfe brennen in den Nasen und Augen. Pfiffer überfliegt den Teich und bekommt durch eine platzende Seifenblase ein paar Säurespritzer ab. Die Tür, die er erreicht, ist verschlossen und durch das Schlüsselloch lässt sich nur erkennen, dass es am anderen Ende verdeckt ist.

Derweil schauen die anderen noch in eine Sackgasse, an dessen Ende ein gerüsteter Mann am Boden liegt. Als sie näher kommen, erkennen sie, dass die Rüstung leer ist und einfach nur so herumliegt. Erfreut legt sich Yorman, dessen eigener Plattenpanzer noch immer schwer beschädigt ist, sich die wie neu schimmernde und zudem magische Rüstung an. Erschrocken muss er danach feststellen, dass sein Schatten sich über ihn wölbt und ihn zu verschlingen droht: der ehemalige Besitzer der Rüstung wurde zum Untoten und will sich an den Lebenden für sein Unglück rächen. Sein schattenhaftes Schwert dringt dem Zwerg ins Herz und entreißt ihm die Lebenskraft. Yormans Schatten löst sich von seinem Besitzer und greift seinerseits als eigenständiges untotes Wesen die Umstehenden an. Gemeinsam können die schrecklichen Gegner bezwungen werden, doch ist Yorman ohne seinen Schatten körperlich so geschwächt, dass er sein Gepäck kaum noch tragen kann. Dankbar gibt er einen Teil der Last an die Freunde ab.

Talaviël huscht elfenhaft an den Abwasserpfützen vorbei, ohne dass ihm die ätzenden Flüssigkeiten etwas anhaben können. Als er sein Ohr an die jenseitige Tür legt, kann er nichts hören, ganz so, als sei sie eine massive Steinwand. Tanner dämmert zwar, dass dies tatsächlich so sein könnte, es sich also um eine als Tür getarnte Falle handelt, aber der Schurke will sein Glück trotzdem versuchen. Als er sich mit seinem Diebeswerkzeug im Schlüsselloch zu schaffen macht, löst sich die Befestigung an deren oberem Ende. Das schwere Türblatt kracht auf ihn herunter und roht, ihn in den gefährlichen Teich zu tauchen. Doch mit einer unglaublichen Reflexreaktion kann sich der Elf mit einem Salto aus dem Stand auf die fallende Tür katapultieren und steht danach unbehelligt und grinsend auf dem Türblatt, das fortan als Floß benutzt wird.

Yorman stakt durch den Raum und untersucht die Wand neben der falschen Tür. Wie erwartet findet er dort die Geheimtür und öffnet sie. Dann bricht die Hölle los!

Der Meistervampir hat die Eindringlinge durch den Radau, den sie vor dem geheimen Eingang zu seinem Labor veranstaltet haben, längst erwartet und wirft einen Blitz in den schmalen Gang, in dem die Helden wie Perlen aufgereiht stehen. Schwer verletzt und durch die Elektrizität mit zu Berge stehenden Haaren stürmt Yorman heldenhaft auf den Feind zu, nur knapp entgeht er einer von unten zugreifenden Klaue, als sich ein Erdwesen namens Xorn aus dem Boden erhebt. Variel will einen Feuerball in den Raum werfen, doch Yorman schreit ihm zu, dies nicht zu tun, denn auf dem Boden liegt ein kleines, schlafendes Mädchen.

Hal eilt todesmutig dem Zwerg zu Hilfe und beide werden durch farbensprühende Magie des Vampirs blind. Die Angriffe der anderen bleiben weitgehend wirkungslos. Tanner stürmt auf den Kampfplatz und schnappt sich das Mädchen, denn er nimmt an, dass es sich um die entführte Kaufmannstochter handelt. Der Zwerg geht tödlich getroffen zu Boden, das Leben sickert langsam aus ihm.  Genüsslich beugt sich der Vampir über ihn und labt sich an seinem Blut. Der Druide verwandelt sich in eine große Fledermaus und versucht, den gefallenen Kameraden zu schützen. Talaviël greift ein, muss aber erkennen, dass er chancenlos ist und flüchtet in einen Gang, an dessen Ende er einen geheimen Ausgang vermutet und tatsächlich findet. Der führt in die Eingangshalle – wie einfach wäre es gewesen, hier einzudringen und den Vampir überraschend und in Vollbesitz der Kräfte aller anzugreifen!

Yorman kommt zu sich, kann aber noch immer nichts sehen und hört nur Schreie, Wehklagen und Kampfgeräusche um sich. Blind tastet er nach seinem Schwert und als er es ergriffen hat, versucht er in Sicherheit zu robben. Doch der Feind kennt keine Gande und streckt den Wehrlosen erneut nieder. Tanner übergibt das Mädchen an die Druiden-Fledermaus und versucht, den Gegner mit silbernen Pfeilen aus der Entfernung zu töten. Der Gnom tastete sich blind aus der Gefahrenzone und hinter eine Ecke gekauert mischt er seine Tränke zu einem Heilmittel für seine Augen zusammen. Der Vampir zaubert sich übernatürliche Schnelligkeit und eilt dem fliehenden Schurken hinterher, denn die anderen Angreifer wählten den Weg ins Labyrinth, aus dem es keinen Ausgang gibt außer der Halle, in der er auf sie warten wird.

Mutig kehrt Talaviël zurück, um den Gefährten beizustehen, doch der Xorn verletzt den Elfen tödlich. Der Kampf scheint verloren, alle denken an Flucht, aber wie, vor einem übermenschlich schnellen und starken, mit mächtigen Zaubern um sich werfenden Feind?

Variel nimmt seine normale Gestalt wieder an und versucht, den Gegner mit Blindheit zu schlagen. Tatsächlich, das Glück ist mit den Helden, versagt der Gesichtssinn des Vampirs, der um sich zu schützen, zu einer Rauchwolke wird. Durch ein Loch in der Decke zieht er sich zu seinem versteckten Sarg zurück, um seine Verletzungen in Windeseile zu kurieren.

Rasch nutzen die Helden die überraschende Gelegenheit zur Flucht, die Schwerverletzten und Blinden mit sich führend, während Hal hastig noch Papiere vom Schreibtisch des Vampirmagiers zusammenrafft und dann hinterhereilt.

Obwohl es niemand mehr glaubte, sind alle mit dem Leben davon gekommen. Und sogar das entführte Mädchen, das zu seinem Glück noch immer in einer tiefen Bewusstlosigkeit gefangen ist, konnten sie retten.

 

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