Vandora (Teil 4b)

Nach der Flucht durch die Katakomben und Abwasserkanäle tauchen die Helden durch den Gulli in einer belebten Straße stinkend, verletzt und abgerissen auf. Mit dem Tageslicht schöpfen sie wieder ein bisschen Hoffnung und auch das befreite Mädchen, das sie mit sich tragen, kommt endlich zu sich.

Durch die gaffenden, tuschelnden Passanten bahnen sie sich ihren Weg zum Haus der Familie Vishapanti, um die entführte Tochter zurück zu bringen. Bis dahin hat sich eine Menschentraube um sie gebildet und auch eine vorbeikommende Wachpatrouille wird auf sie aufmerksam. Ärgerlich ist, dass der Butler zwar das Mädchen ins Haus lässt, den dreckigen Fremden gegenüber aber misstrauisch bleibt. Es kostet alles diplomatische Geschick, eingelassen zu werden und zudem eine Waschgelegenheit zu bekommen.

Im Wohnzimmer erwarten sie die erleichterten Eltern der kleinen Dipti. Der Vater bietet überglücklich eine Belohnung an, doch die Helden dürsten eher nach Rache. Die Lage spitzt sich dramatisch zu, als eine Einheit der Stadtwache mit einem Haftbefehl für die fünf Abenteurer eintrifft. Ihnen wird vorgeworfen, in die Burg des Grafen eingedrungen zu sein und alle 55 dort anwesenden Gäste grausam niedergemetzelt zu haben. Einige erwägen ernsthaft, durch die Hintertür zu fliehen, aber die Besonneneren setzen sich durch, weil eine Flucht als Schuldeingeständnis gewertet würde.

Zumindest verspricht Herr Vishapanti, seinen Einfluss geltend zu machen, damit Kapitän Hansen, dessen Unschuld nun erwiesen ist, umgehend aus der Haft entlassen wird.

Im Gefängnis muss Variel feststellen, dass hier alle Magie blockiert ist, wodurch er nichts gegen die Krankheit tun kann, außer ein paar von Pfiffer besorgte Kräuter zu nehmen. So verschmimmern sich die Symptome bei ihm und Talaviël deutlich. Es muss mit einer baldigen Gerichtsverhandlung gerechnet werden und da sich die Gruppe darauf verständigt hat, dass der Druide sie verteidigen soll, will er im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte sein. Jamu, ihre Zufallsbekanntschaft aus der vorletzten Nacht, hat Gerichtsdienst, ist selbst aber nicht erfahren genug, um zu helfen. Doch kann er einen höheren Priester überzeugen, der Gerechtigkeit halber einzugreifen. So wird Variel mit göttlicher Magie von der Infektion geheilt und kann vor Gericht seine ganze Redekunst und Überzeugungskraft einsetzen. Zusätzlich verspricht Jamu, vor Gericht zu übersetzen.

Für die Gegenpartei tritt jedoch die ehrenwerte Frau Anwältin Sunita auf, die mit wehenden, edlen, schwarzen Roben in den Gerichtssaal rauscht und nach der Eröffnung der Verhandlung eine dramatische und beeindruckende Rede hält, in der sie den Grafen Reginaldo als geschädigtes Opfer der hinterlistigen ausländischen Eindringlinge darstellt. Ihre Vorstellung ist so überzeugend, dass der Richter und das Publikum im Folgenden ihren Ausführungen sehr wohlwollend gegenüber steht.

Dennoch gibt sich Variel nicht geschlagen und versucht, durch Vernunftargumente zu überzeugen. Vor allem der Hinweis, dass der Zustand der Leichen beweise, dass sie schon viel länger als nur eine Nacht tot sein müssten, leuchtet dem Richter ein. Darauf ist Sunita aber vorbereitet. Sie zieht aus ihrem Aktenstapel einen Präzedenzfall, in dem es um Morde eines Hexenmeister ging, der seine Opfer durch Magie so entstellte, dass der Todeszeitpunkt nicht mehr feststellbar war. Dies erschüttert die Position Variels doch spürbar. Dennoch kann er mit Unterstützung der anderen immer weitere Pluspunkte beim Richter sammeln. Ihre drohende Niederlage vor Augen argumentiert die Anwältin zunehmend absurd und verspielt beinahe ihre Glaubwürdigkeit.

Als der Richter schon beinahe sein Urteil sprechen will, verlangt sie die Vorladung von Zeugen, und die Verhandlung wird um eine Stunde vertagt. Wieder in ihren Einzelzellen sitzend diskutieren die Abenteurer über den Flur hinweg, wen sie als Entlastungszeugen aufrufen könnten. Am naheliegendsten wäre Herr Vishapanti. Der hatte aber schon klar gemacht, dass er als bekanntermaßen schärfster geschäftlicher Konkurrent des Grafen als voreingenommen gilt, was das Gewicht seiner Aussage verringern würde. So einigt man sich darauf, zu versuchen, Talaviëls Unterweltkontakt als Zeuge aufzubieten. Ein verzweifelter Zug, der ein entscheidender Befreiungsschlag sein könnte oder direkten Weges in die Katastrophe führt.

Tatsächlich tritt der Bandenboss vor Gericht und berichtet in bewegenden Worten von der selbstlosen Hilfe, die die Helden der Stadt erbracht haben, indem sie das Schicksal der verschwunden Straßenkinder aufgeklärt haben und sich danach mutig auf den Weg machten, die entführte Kaufmannstochter zu befreien. Nun scheint alles klar und der Freispruch sicher. Da geht ein Stöhnen und Raunen durch den Saal, als Frau Vishapanti mit ihrer Tochter an der Hand eintritt. Das Mädchen wird von der Anklägerin als Hauptbelastungszeugin präsentiert und zum Entsetzen aller bestätigt sie die Frage des Richters nach der Schuld der Angeklagten mit einem zögerlichen aber bestimmten Nicken. Alles scheint verloren.

Doch die scharfen Augen der Abenteurer haben die abgehackten Bewegungen der Kleinen wahrgenommen, als hänge sie wie eine Marionette an Fäden. Als sie Jamu darauf aufmerksam machen und der ihren Verdacht laut übersetzt, dass Dipti unter fremden Kontrolle stehen könnte, läuft das Gesicht des Richters vor Ärger rot an. Sofort ordnet er eine magische Untersuchung an und der anwesende Oberpriester bestätigt nicht nur die Verzauberung, sondern kann sie auch unmittelbar brechen, so dass die Wahrheit ans Licht kommt.

Der Freispruch folgt umgehend und die Helden verlassen das Gericht mit weißer Weste, während Sunita in ihrem wehenden schwarzen Ornat wie ein Schattenwesen vom Ort ihrer schmählichen Niederlage flieht. Später geht das Gerücht um, dass eine mit schwarzen Vorhängen verhüllte Kutsche aus der Burg des Grafen unter Peitschenknallen mit galoppierenden schwarzen Pferden die Stadt verlassen hat. Das Ansehen des Grafen Reginaldo ist zudem schwer beschädigt. Welcher ehrbare Kaufmann will schon mit jemandem Geschäfte machen, der mit Kindesentführung und Untoten in Verbindung gebracht wird?

Beim Festessen zur Feier des guten Ausgangs des Abenteuers überreichen die Vishapantis großzügige Belohnungen und dann brechen die Abenteurer zur Heimfahrt mit Kapitän Hansens Schiff auf. Der Anker wird schon gelichtet, als Jamu atemlos an den Pier gerannt kommt, um sich zu verabschieden und ein Kästchen voller Schmuck als Dankeschön überreicht, das im Anwesen der Familie Sepulcro y Hoyo versteckt gefunden wurde.

Die Seereise ist bei weitgehend gutem Wetter ruhig und eine willkommene Erholung nach den anstrengenden und gefährlichen Abenteuern. Nach zwölf Tagen gehen alle von ihren Verwundungen und Krankheiten geheilt von Bord. Ein paar Tage genießen sie noch das Flair der bunten, lebendigen südlichen Hafenstadt, erledigen ein paar Besorgungen und kaufen Reittiere, denn der Heimweg wird sie über Land, durch eine ausgedehnte Grassteppe und in Mittelgebirge führen.

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