Vierter Bericht: Von den grausamen Todesfällen in der Stadt Bögenhafen und der erstaunlichen Gleichgültigkeit seiner Bürger

An Ihre Excellencen Berater Ihrer Königlichen Hoheit,

persönliche Angelegenheiten meiner aus dem Auftrag in Dunkeltann bekannten Vertrauten haben uns veranlasst, die Stadt Bögenhafen aufzusuchen. Ich kann berichten, dass durch den jährlichen Frühlingsmarkt die Mauern im Südosten von einer großen Ansammlung an Zelten und Volk umgeben sind, so wie auch im Inneren dichtes Treiben herrscht. Die Stadt und ihr Umland mögen gegenwärtig sicherlich die doppelte Menge an Menschen, Elfen, Zwergen, Halblingen und sonstiger Kreaturen beherbergen, als dies zu anderen Zeiten der Fall ist. Trotz des Andrangs gelang es uns, ein Quartier zu ergattern, das in der Nähe der Werft gelegen nicht allzu viel Aufmerksamkeit erregen sollte. Die Anwesenheit meiner offensichtlich wohlhabenderen und höherstehenden Begleiter in dieser eher schmucklosen Ecke der Stadt ist angesichts der derzeitigen Knappheit an Unterkünften erklärbar.

Am Fluss zeigte sich das übliche Treiben der Handelsschifffahrt ohne besondere Auffälligkeiten. Ortsansässige bestätigten, dass neben der Herrin der Stadt, Gräfin Emanuelle von Liebwitz zu Wissenland, die vier Kaufmannsfamilien Haagen, Teugen, Steinhäger und Magirius großen Einfluss und Reichtum besitzen. Es ist also zu erwarten, dass die Stadt ihre Funktion als wichtiger Umschlagplatz zwischen Land- und Seehandel wie erwartet erfüllt.

Erstaunlich ist dagegen das Auftreten der örtlichen Bestattergilde. Diese verfügt nach Aussage eines Priesters, der sich als Pater Dorian vorstellte, über das Recht, im Namen der Pietät selbst Strafen zu verhängen, sollten nicht alle Rituale und Notwendigkeiten im Rahmen einer Bestattung unmittelbar und ausschließlich über diese erfolgen. Dies ist umso erstaunlicher, da sich die Sorge Pater Dorians offenbar vor allem auf die wohlhabendere Bevölkerung erstreckt, während ihm die Leichname des einfachen Volkes eher lästig erschienen. Die religiöse Begründung für derartig harte Regeln im Umgang mit den Toten wirkt in diesem Licht vorgeschoben. Ob die wahre Motivation rein finanziell oder politisch begründet ist, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen.

In diesem Zusammenhang ist jedoch verdächtig, dass es wohl in der jüngeren Vergangenheit derartig viele Todesfälle im einfachen Volk gab, dass gar nicht alle angemessen und zeitnah bestattet werden konnten. Dabei sei die Ursache nicht etwa eine Krankheit, sondern schwere Gewalt, häufig verbunden mit dem Entfernen von Organen wie etwa dem Herzen. Wir konnten dies noch nicht selbst in Augenschein nehmen, die Beiläufigkeit, mit der eben jener Pater Dorian darüber sprach, machte jedoch fassungslos. Weder bei der Bestattergilde, noch bei der Stadtwache scheint dies ausgesprochene Unruhe auszulösen, obwohl sich jetzt während des Marktes der oder die Mörder unter den Besuchern und Einwohner der Stadt befinden.

In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass es bereits Urteile gegen Mitglieder einer obskuren Sekte namens „Die Purpurne Hand“ wegen Menschenopfern gab. Sämtliche Verurteilte stammten aus der Umgebung von Bögenhafen, so dass eine Verbindung in die Stadt naheliegt. Möglicherweise gelingt es uns, vor Ort Einblick in die Gerichtsakten zu den Fällen zu nehmen. Der Mangel an offensichtlichen Untersuchungen angesichts der hohen Zahl kürzlicher Todesfälle mit deutlichen Zeichen dunkler Rituale bei einer bekannten Existenz einer solchen Sekte in der Umgebung ist jedoch beunruhigend und wirft Fragen auf. Gerade wegen der Bedeutung der Stadt für den Handel des ganzen Landes und seiner Nachbarn und natürlich für den Reichtum der ansässigen Kaufmannsfamilien wäre zu erwarten, dass alle politisch einflussreichen Personen der Stadt versuchten, dies aufzuklären und zu beenden, um eine Panik in der Bevölkerung zu vermeiden.

Stets Euer ergebener Diener
J.M.

 

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